zitate
Auszüge aus der Rede zu Aki E. Benemanns Ausstellung "Beckmann, brüllen Sie"
am 05.09.2015 in der Alten Handelsschule, Leipzig
..."Beckmann, brüllen Sie" ist der Titel einer Grafik, die Aki E. Benemann ziemlich
zum Anfang ihrer künstlerischen Laufbahn geschaffen hat.Seitdem taucht der Schrei als künstlerisches Sujet wiederholt in ihrem Werk auf.
Die Thematik des Schreies, besonders das Zitat" Beckmann, brüllen Sie" aus
Wolfgang Borcherts Erzählung "Draußen vor der Tür" hat nach dem Ende des
II Weltkrieges allerdings eine ganz andere Dimension. Für Beckmann wie
für eine ganze Generation heimgekehrter Soldaten gab es keine Tür mehr,
die sich auftat, ihnen eine Chance zum Leben gab.
Borchert selber flüchtete schwerkrank von einem Gefangenentransport in seine zerbombte Heimatstadt Hamburg. Am Bett gefesselt schrieb er "Draußen vor der Tür" in nur 8 Tagen.
Aki erlebte die Nachkriegszeit hautnah. Nachrichten und Berichte von Kriegsheimkehrern brannten sich in ihr Gedächtnis ein. Bilder, die sie nie vergessn konnte. Mit "Beckmann, brüllen Sie" traten sie erstmals visuell in Erscheinung, verarbeitet mit den Mitteln der Kunst.
Auch andere Texte Borcherts inspirierten sie. Wenn mann sich ihre Bilder
anschaut, dann tauchen beispielsweise immer wieder Pferde auf, Kraft strotzend
wild bewegt. Sie scheinen unmittelbar von Borcherts Reiterlied inspiriert worden zu sein.
Auf der einen Seite optimistischer Vorwärtsdrang, auf der anderen Seite ohnmächtige Schreie. Beides spielt in Akis Bildern immer wieder eine Rolle.
In Akis jüngster Arbeit "Loosing my Life" wird der Verlust des Lebens zum Thema.
Dies jedoch nicht unmittelbar, sondern über den Ovid´schen Mythos von Orpheus und Eurydike. Hier wird der Moment festgehalten, als Eurydike kopfüber
wieder in die Unterwelt fällt, und das auch noch kurz vor dem Erreichen der Oberwelt. Aber Orpheus hat ihre Schritte nicht gehört, in Sorge hat er sich umgedreht und seine Geliebte dabei verloren.
Mittlerweile ist die Welt viel lauter geworden, nicht nur Schritte, sondern mitunter Schreie werden gar nicht mehr gehört. Insofern können Bilder vielleicht
viel eher ergreifen. Mir ist es bei dem Bild "Beckmann, brüllen Sie" jedenfalls so
ergangen...
Leipzig, 05.09.2015 Barbara Röhner
Aki E. Benemann: Malerei – Zeichnung – Radierung Ausstellung in der Bank-Galerie der Volksbank Hellweg eG, Niederlassung Warstein, vom 11. Oktober bis 29. Dezember 2005 Eröffnung am 11. Oktober 2005 um 19.30 Uhr
Liebe Aki E. Benemann, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Künstlerin Aki E. Benemann im Gespräch sein, bedeutet auch, die Konzentration auf das Wesentliche suchen. Sie hält nichts von langen oder langatmigen Gesprächen über ihre Kunst und noch weniger über ebensolche Interpretationen, die ausgestellten Werke betreffend. Als Redner ist man aufgerufen, den besten aller möglichen Wege zu finden, um in die Arbeiten von Aki E. Benemann ohne grossen Hürdenlauf, der einen selbst zu Fall bringen könnte, einzuführen. Es bestünde natürlich auch hier und jetzt die Möglichkeit, über etwas ganz Anderes zu sprechen, zu referieren, was nur im Entferntesten mit der hier ausgestellten Kunst zu tun hat. Aber wofür dann mich, den Eröffnungsredner aus Siegen? Ich will eine Symbiose wagen, die sich im Denken und Schreiben ergeben und entwickeln muss. Dazu werde ich die Künstlerin miteinbeziehen, die mir somit mit Rat und Tat zur Seite steht. Geboren ist sie kurz vor den 40gern im letzten Jahrhundert in Suhl/Thüringen. 1949 flieht sie aus der DDR und studiert nach dem Abitur von 1959 bis 1964 Naturwissenschaften in München und Marburg. Nach dem Studium arbeitet sie als Physikerin der Kerntechnik-Reaktorbau in der Forschung und Entwicklung bis 1994 in der Industrie. An dieser Stelle wäre nun eine Möglichkeit, dieses Arbeitsgebiet zu vertiefen, um Ihnen, meine Damen und Herren, die Jahrzehnte präsenter zu gestalten, in denen Aki E. Benemann als Physikerin tätig war. Würden wir diesen Weg einschlagen, so hätten Sie später in der Betrachtung der Kunst mit Sicherheit einen Haltegriff, der Ihnen diese Arbeiten näher rücken würde. Seit 1985 ist sie als Autodidaktin künstlerisch tätig und malt, zeichnet oder radiert im gegebenen Freiraum einer Physikerin. Gleichzeitig bildet sie sich künstlerisch in Zusammenarbeit mit freischaffenden Künstlern, Kunstdozenten und Kunstprofessoren fort. Erst ab 1990 erwägt sie für sich die Wortbildung „freischaffende Künstlerin“, an der sie bis heute festhält. Mit der Einrichtung eines eigenen Ateliers 1994 wird auch die Radierwerkstatt installiert. In diesem Künstlerort erteilt sie Unterricht in Zeichnen und Radieren. Seit 1997 ist sie Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler (ASK) in Siegen. Mit dieser Künstlergemeinschaft , aber auch solo wie heute, stellt Aki E. Benemann im In- und Ausland aus. Die ca. 40 Arbeiten, die hier in der Bank-Galerie ausgestellt sind, umfassen die Zeit von 1997 bis 2005, also vom Eintritt in die ASK bis heute. Und es ist mit Sicherheit nicht übertrieben zu behaupten, dass seit dieser Zeit die Kunst bei Aki E. Benemann eine noch zentralere Stellung in ihrem Leben erhalten und eingenommen hat. Ihre Kunst lebt im aktiven Tun im Atelier. Im Experimentieren und Ausprobieren. Im täglichen Entstehen- und wieder Fallenlassen. Der Prozess des Malens oder Zeichnens ist und bleibt der alltägliche Antrieb, Kunst zu machen. Das künstlerische Schaffen ist für die Künstlerin weit wichtiger, als die Werke an unterschiedlichen Orten zu präsentieren. Dies heisst natürlich nicht, dass Aki E. Benemann mit einem notwendigen Übel lebt, es heisst vielmehr, dass sie nicht den eigenen Motor durch Ausstellungen aufladen muss,wie so viele andere KünstlerInnen, sondern ihre Kraft immer wieder im Schaffensprozess ausbalanciert. Dabei ist in der letzten Zeit auch immer mehr die Perfektion zum eigenen Postulat geworden. Eine Perfektion, die auch inhaltlich Veränderungen mit sich gebracht hat. Waren in den früheren farbigen und grossformatigen Oelbildern und in den expressiven Darstellungen in den Radierungen eine dranghafte Unruhe und sturmgegebene Zielrichtung zu erkennen, so ist gerade in den Oelbildern mit dem Aelterwerden eine Ruhe eingekehrt, die das Expressive verbannt hat und die Einfachheit, d.h. einfache geometrische Grundformen, wie Quadrat und Kubus, ins Zentrum gesetzt hat. Gerade die vier mit „Hora“ betitelten Oelbilder, die 2004 und 2005 entstanden sind, strömen durch ihre geometrischen Formen Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Unterlegt durch die Verwendung von herbstbetonten Farben, die keine farbexpressive Dynamik freisetzt. Nicht nur das geometrisch gestaltete Motiv, auch der oft über zwei Monate andauernde Malakt mit lasierendem Oel über sechs bis acht Schichtungen rückt Meditation mit ins Bild. Die angesprochene Reduzierung der Form setzt sich in der Arbeit „Rotes Lattenkreuz“ (Oel u. Oelstift auf Lw., 200 x 150cm, 2003/04) konsequent fort. Geometrische Formen, die nur an manchen Stellen die starre Form sprengen, bilden ein homogenes Ganzes. Das Kreuz steht im Zentrum des Motivs und verbindet die vier Seiten der Leinwand, die vier Himmelsrichtungen, miteinander. Die drei schwarzen Flächen umlagern das rote Kreuz , das in der Welt Anfang und Ende bedeutet. Vielleicht eine zu gewagte Interpretation für die Künstlerin, aber eine Möglichkeit für die Fortdauer des Guten und Bösen in der Welt. Das Tryptichon „Caput Mortuum oder Die Mitte ist die Antwort“ von 2002 tendiert in Form und Inhalt in die gleiche Richtung. Ebenfalls in schwarz angelegt, löst sich in den beiden äusseren Arbeiten die schwarze geometrische Fläche an einigen Stellen auf. Dem gegenüber ist die mittlere Arbeit in ihrer Fläche kompakt. Es gibt in der Form kein Entrinnen. Geht man in der Interpretation von der Mitte aus, so könnten die beiden äusseren Teile eine Abweichung von der statischen Form belegen, etwas darlegen, was Veränderung dokumentiert. Geht man aber von den beiden äusseren Arbeiten aus, so könnte die mittlere und kompakte Form ein Endstadium bedeuten, in das sich die beiden anderen Arbeiten vereint haben. Die Spekulation bleibt vorhanden. Aus diesen Gründen verweilt die Künstlerin selbst nicht allzu lange bei diesen Auslegungen. Ihr ist viel wichtiger, dass über die Form der Betrachter angesprochen wird und damit Zugang zur Arbeit erhält. Ein weites Feld bei Aki E. Benemann sind auch die zahlreichen Radierungen, die u.a. im Ausstellungszeitraum von 1997 bis heute entstanden sind. Hervorheben möchte ich die fünf Kaltnadelradierungen und eine Farbradierung zum Thema Jazz, die 1997 entstanden sind. Die Motive gründen auf Fotovorlagen, die die Künstlerin selbst anfertigte, um sie danach in Ritz-Zeichnungen umzusetzen. Aber auch drei weitere Radierungen, die 2001 enstanden sind, greifen das Thema Jazz wieder auf. Die Künstlerin betitelt diese mit „Zerrissene Gesichter“. Hier hat sie Fotos zerrissen, diese auf Karton collagiert und mit schwarzen Aquatintaflächen überdruckt. Die Vielfalt zeigt sich schon in diesen wenigen Hinweisen. Auch und gerade in dieser Technik ist durch das Einritzen – bei Kaltnadelradierungen in eine Zinkplatte – Körpereinsatz und ein genaues Arbeiten in der Strichzeichnung vonnöten. Die Überraschung ist perfekt, wenn nach dem Druck das Endergebnis dem künstlerischen Auge standhält. Auch in der Radierung bleibt die persönliche Anforderung ungebrochen, ein ständiges Fortwirken und Experimentieren, ohne einen Stillstand zu beschwören. Sprachen wir vorher, als es um die Oelmalerei ging, von ausgesprochen geometrischen und abstrakten Formen und von der Ausstrahlung von Ruhe, die von diesen Arbeiten ausgeht, so sehen wir in den Zeichnungen, die von Aki E. Benemann mit Vorliebe angefertigt werden, eine direkten Kontrast zu den Oelbildern. Die Zeichnungen leben nicht von der Abstraktion, sondern von der figurativen Darstellung und der Dominanz der gesetzten Linien. Wie im Rausch zieht die Künstlerin unentwegt Linien über den Zeichengrund und es entsteht ein Wirrwarr von schwarzen Linien. Hier ist die Dynamik, der expressive Zugriff ungebrochen. Die Hand fährt in der Aktion unablässig und intuitiv über das Papier, so dass es oft schwerfällt, einen Schlussstrich zu setzen, um nicht mit einem Zuviel die Zeichnung zu zerstören. Drei ganz neue Zeichnungen aus 2005 sind mit „Metamorphose 1-3“ betitelt. Diese Motive sind mit Rapidograph, ganz dünnen Tuschstiften, gezeichnet und verdichten sich durch die unzähligen Linien zu einem figurativen Gebilde. Erkennbar sind in diesen Zeichnungen Vögel, die sich als Lebewesen zum Starren hin, zum Stein verwandeln. Mit sicherem Strich sind diese Metamorphosen auf Papier gesetzt. Die Form bringt Lebendiges ins Bild, der Inhalt – eine Rückentwicklung – setzt die Entwicklung der Welt aufs Spiel. In diesem Zusammenhang komme ich zum Schluss auf das soeben erschiene Buch „Schwarz-Weiss-Zeichnungen zum Roman von Antonio Lobo Antunes – ‚Das Handbuch der Inquisitoren‘“ zu sprechen. Die 50 Schwarz-Weiss-Federzeichnungen stammen aus dem Handgelenk der Künstlerin, die diesen Roman, der den Untergang eine Familie und Sippe beschreibt, insgesamt viermal gelesen hat. Durch dieses intensive Lesen und durch die Faszination und Begeisterung an diesem Buch haben sich an manchen Textstellen Bilder im Kopf der Künstlerin festgesetzt, die sie als intuitive Zeichnungen auf Papier niederlegen musste. Ein Gewimmel von Linien, eine Bündelung von dynamisch gesetzten Strichen erzeugt eine Zentrierung in den Zeichnungen, die tiefschwarze Stellen entstehen lassen, in denen kaum mehr die Einzelstriche erkennbar sind. Die Motive, in denen manchmal auch ein kurzes Textzitat eingearbeitet wurde, zeigen die doppelte Handschrift der Künstlerin. Die Gesichter, die in den Zeichnungen zu erkennen sind, sind von Ängsten und Qualen überschattet. In dieser Ausstellung können sie fünf vergrösserte Drucke und 13 in Originalgrösse anschauen oder aber das Buch erwerben, in dem alle 50 Zeichnungen mit den dazugehörenden Textabschnitten vereint sind. Aki E. Benemann zitiert selbst zu diesem Buchprojekt: „Antunes wurde 1942 als Sohn einer grossbürgerlichen Familie in Lissabon geboren, studierte Medizin, leistete seinen unfreiwillig verlängerten Militärdienst im Angolakrieg ab und arbeitete dann als Chirurg und Psychiater in einem Lissabonner Krankenhaus. Noch heute übt er – obwohl er bereits zu einer herausragenden Figur der europäischen Literatur geworden ist – beide Berufe aus. Zum Romaninhalt ein Zitat: Die Zeiten ändern sich, und wer gestern noch zu den Mächtigen gehörte, ist heute nur noch ein weltfremder Narr. In Antonio Lobo Antunes‘ furiosem „Handbuch der Inquisitoren“ wütet ein Grossgrundbesitzer und Minister gegen die neue Zeit, verteilt im Gewächshaus konspirativ Regierungsposten, setzt „die Schlappschwänze beim Heer“ ab, und beschimpft die Raben als Kommunisten, während Businessclowns und die neuen Spitzen der Gesellschaft alles tun, um Portugal (zum Wohle des Vaterlandes und des Privatkontos) zu einer dynamischen Zukunft zu verhelfen.“ Die Zeichnungen entstanden im Jahr 2004 aus Begeisterung an der Literatur des portugiesischen Schriftstellers, der in faszinierender, erschütternder Beschreibung den Untergang des diktatorischen Regimes in seinem Land durch Darstellungen morbider Grossgrundbesitzerfamilien dokumentiert. "Mich begeistert das Erzählvermögen und mir entspricht in grossem Masse das Bewusstsein und die Sensibilität dieses Schriftstellers.“ Im Anschluss wird Crauss einige Passagen aus dem Buch auf spannende und aufrüttelnde Weise vortragen, gemixt mit eigenen Texten. Wenn Sie ein Buch erwerben, haben Sie auch die Möglichkeit, Ihr Exemplar zu signieren. Um die Handgelenke zu schonen, hat die Künstlerin zwei Stempel mit ihrer Signatur anfertigen lassen. Einen mit und einen ohne das heutige Datum 11. Oktober 2005. Dies ist kein Scherz, aber doch eine lustige Eingabe der Künstlerin. Heute Abend können Sie zur Tat schreiten und Ihr Exemplar eigenhändig und selbständig, im Auftrag und unter der Obhut der Aki E. Benemann, signieren. Nehmen Sie diese Einladung an. Appell der Künstlerin: „Bitte die Kunst nicht so ernst nehmen. Etwas lustig sein!“ Franz-Josef Weber, Okt. 2005